- Wolf-Ingo Härtl
Küsse im Räuberwald
Noch zu Lebzeiten hätte der Schinderhannes in Moritaten über sich hören oder in verklärenden Geschichten über sich lesen können, wenn
er in seiner Haft im Mainzer Holzturm Gelegenheit gehabt hätte, diese in die Finger zu bekommen. Über Jahre, ja sogar über Jahrhunderte hinweg wurden die Geschichten über ihn verbreitet. Diese Zeichnung, die ihr hier sehen könnt, soll in einem "Groschenheft" so um das Jahr 1920 erschienen sein und zeigt in einer arg romantisch anmutenden Szene den Schinderhannes, wie er sein Julchen küsst. Leserinnen waren verzückt und vergaßen beim Betrachten womöglich, hier einen Mörder und seine Räuberbraut zu sehen. Legenden werden gebildet, um danach niemals zu sterben.
Im Roman "Die Geliebte des Räubers", der ja 1802 spielt, also in dem Jahr, in dem der Schinderhannes geschnappt wurde, klingt bei einigen Figuren auch immer mal wieder eine Art Bewunderung durch. Für die meisten solange, bis sie mal selbst von ihm oder seinesgleichen heimgesucht wurden. Dann hörte der Spaß auf. Dazu in einem der nächsten Beiträge etwas.