- Wolf-Ingo Härtl
Brennende Leidenschaft oder: Wie man lernt, seine Figuren zu lieben
Schriftsteller sein ist ein Beruf, das wird manchmal schnell übersehen, denn
leichthin wird gerne mal gesagt: "Darüber könnt' ich ein Buch schreiben" oder "Wenn ich mal Zeit hab, dann schreib ich auch ein Buch". Im Grunde ist dagegen nichts einzuwenden, aber eines wird doch auch schnell darüber vergessen. Nämlich, wie wichtig es ist, wie bei jedem Beruf ein gutes Rüstzeug zu erlernen. Bei allem Talent als Geschichtenerzähler ist es dennoch wichtig, sich über die Grundlagen des beruflichen Schreibens klar zu sein. Dazu gehören neben Disziplin und der Bereitschaft, Kompromisse einzugehen, auch Rechtschreibkenntnisse, ein abwechslungsreicher Wortschatz, sowie auch die Fähigkeit, in Bildern denken zu können. Nur - Bilder allein reichen aber auch wieder nicht, also ist es wichtig, die Kunst der Dialoge zu beherrschen. Einer der üblichen Anfängerfehler (ich gestehe - auch bei mir) war, die Dinge so aufzuschreiben, wie sie mir einfielen, was bedeutete, dass die Geschichte sehr episodenhaft daherkam. Keine richtige Struktur, keine Dramatik, keine erkennbare Spannungskurve. Und was nützt es, wenn die Figuren zwar handeln und reden, aber keine Leserin und kein Leser nachvollziehen kann, warum und weshalb sie so sind? Die Frage, welche Motivation eine Figur antreibt, sollte einen Schriftsteller vom Prolog bis zum Epilog immer begleiten.
All diese Dinge richtig bedacht können aus einer guten Idee einen guten Roman machen. Vielleicht sogar einen noch besseren. Und trotzdem reicht es manchmal auch dann nicht. Schreibtechniken und Fantasie sind wichtig, aber ohne eine weitere Sache wird jeder Text es schwierig haben, seine Leser/innen einzufangen.
Was das ist?
Die Leidenschaft zum Schreiben. Sie ist es, die einen Geschichtenerzähler antreibt. Brennen muss er für seine Figuren, damit diese so lebendig werden wie er selbst. Und manchmal brennt dabei halt auch der Bleistift (siehe Foto).