- Wolf-Ingo Härtl
Häufig gestellte Frage: Wie oft überarbeitest du deinen Text?
Tatsächlich werde ich das immer wieder mal gefragt. Ich weiß aus Gesprächen mit Autorenkolleginnen und -kollegen, dass viele
den Prozess des Überarbeitens gar nicht so gerne mögen. Ich hingegen finde das mindestens so spannend wie das Schreiben selbst. Für manche ist es so, dass sie das Wort ENDE schreiben und am liebsten das Manuskript sofort abschicken. Kann ich auch verstehen, denn irgendwann möchte man ja mit diesem Roman auch mal fertig sein. Aber (ganz großes Aber) mit dem Wort Ende fängt für mich erst die zweite Hälfte des Romanschreibens an. Wie das? Ich empfinde es so, dass der geschriebene Text mit seiner Handlung, seinen Wendungen und Überraschungen erst so richtig zu "meinem" Roman wird, wenn ich mich noch einmal von vorn bis hinten mit allem beschäftige: Den Figuren und ihrem Leben, Leiden, Lieben. Da kann es schon mal vorkommen, dass jemand noch eins mitbekommt, sich noch in einen Dialog werfen muss, einen inneren Kampf ausficht oder es sich auch überlegt, eine andere Richtung im Text einzuschlagen. Damit nicht genug. Auch atmosphärisch gewinnt das Manuskript durch meine Überarbeitung. Als würde ich die Distanz beim Schreiben, die durch die Tastatur gegeben ist, völlig hinter mir lassen. Denn ich drucke alles auf Papier aus und überarbeite mit Bleistift/Kugelschreiber jede Seite durch. So ein Stift sorgt für Nähe. Nicht nur, weil schlechte Augen mich zwingen, näher ans Blatt heranzugehen, nein, vor allem, weil das Klackern der Tastatur fehlt und die so entstehende Ruhe die Illusion, selbst in der Geschichte "mitzuspielen", mehr gegeben ist.
Wie oft überarbeite ich ein Manuskript? Ich habe bisher bei jedem Roman mindestens 6 komplette Durchläufe gehabt. Historische Geschichten erfordern auch mal mehr, können auch zehn Durchläufe sein. Wird mir das langweilig? Nie. Ich darf nur eines nicht dabei vergessen. Den Abgabetermin. Irgendwann muss ich mich von meinem Manuskript trennen. Dazu demnächst mehr.